Dröge Detaildemut, wortreiche Welterklärwut oder Warum kennt die Germanistik weder Maß noch Ziel, wenn es ums Vaterland geht? Eine Polemik
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Abstract
Immer wenn in Deutschland die ganz großen Fragen auf den Tisch gepackt werden, ist die Germanistik nicht weit. Wer sind wir, und wenn wir jemand sind, wer genau, und warum? Was ist deutsch an diesem Deutschland, wie ging das gleich nochmal mit Kultur- und Staatsnation, und was war das mit diesem Goethe? Der sei doch auch nur „irgendso’n Toter“, lässt der SPIEGEL zu Be-ginn des Jahres 2017 zwei beharrlich als „Mädchen“ titulierte Studienanfänge-rinnen der Germanistik in eine eher mäßig interessierende Litanei eines seiner Redakteure u?ber den ach so bedauernswerten Zustand der nationalen Philolo-gie hineinlallen. Dass die Germanistik noch immer ganz groß denken kann, beweist zur selben Zeit Dieter Borchmeyer, der dem deutschen Wesen mit ebenso deutscher, traditionell männlicher Philologenakribie zu Leibe zu ru?cken versucht. „Was ist deutsch?“, fragt Borchmeyer, und beschreibt die Lage der Nation wie folgt: „Nie haben die Deutschen ein gesichertes Identitätsgefu?hl entwickelt, keine Nation hat so unermu?dlich sich und den anderen Nationen Rechenschaft daru?ber abzulegen gesucht, was sie nun eigentlich sei, und die fu?hrenden Geister keines anderen Volks haben so harsche Kritik, bis hin zur Selbstverleugnung, Selbstpreisgabe, ja zum Selbsthass, an der eigenen Nation geu?bt.